23.01.2025 • 6 min. Lesezeit
Inhalt dieses Artikels
Im Gespräch mit Eigentümern hören wir öfter die Frage danach, was ein Notwegerecht ist und was es beinhaltet.
Was ist das Notwegerecht?
Im Kern geht es darum, ob Nachbarn das Grundstück eines anderen überqueren dürfen, um zu ihrem Grundstück zu gelangen, weil die Anbindung an eine öffentliche Verkehrsfläche fehlt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dann ein sogenanntes „gefangenes Grundstück“ ein Notwegerecht erhalten.
Dass dieses Thema unter Eigenheimbesitzern zu Kontroversen – bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen – führen kann, liegt auf der Hand. In diesem Artikel möchten wir Ihnen daher einen ersten Überblick zum Notwegerecht geben. Eine professionelle juristische Beratung ersetzt der vorliegende Artikel jedoch nicht.
Notwegerecht im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
Die Regelungen zum Notwegegesetz sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten. Hier heißt es im ersten Absatz von § 917:
Dieser Gesetzestext in einfachen Worten erklärt: Sie können von Ihren Nachbarn verlangen, Wege über deren Grundstücke zu nutzen, wenn Ihrem Grundstück der Zugang zu einer Straße fehlt. So lange hat besagter Nachbar das sog. „Durchgangsrecht“ inne. Dieses aber gilt beim Notwegerecht (als „Not-Lösung“) nur so lange, bis ein Zugang für Ihr Grundstück geschaffen wurde.
Unterschieden werden vor diesem Hintergrund auch die Begriffe „herrschendes“ und „dienendes“ Grundstück. Die Bedeutungen:
„Herrschendes“ Grundstück: gehört demjenigen Besitzer, welcher den fremden Zuweg vorübergehend mitbenutzen darf.
„Dienendes“ Grundstück: gehört entsprechend demjenigen Besitzer, der seinen Zuweg dafür bereitstellt.
Oft kann man sich in diesen Fällen nachbarschaftlich und „freundschaftlich“ untereinander einigen. Verweigert jedoch der Nachbar die Notwegerecht-Zufahrt über sein Grundstück, können Eigentümer das Notwegerecht einklagen. In diesem Fall entscheidet ein Gericht, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Voraussetzungen für das Notwegerecht
Es müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, damit ein Notwegerecht zugesprochen wird. Eine Auswahl haben wir hier für Sie aufgelistet:
- Es gibt keine Verbindung des Grundstücks mit einer öffentlichen Straße. Dies gilt auch bei Zugängen, die zu schmal sind, vorübergehend nicht genutzt werden können oder nur teilweise mit der Straße verbunden sind.
- Es ist keine angemessene Nutzung des Grundstücks möglich – auch wenn eine Anbindung an eine öffentliche Verkehrsfläche vorhanden ist.
- Nur Eigentümer oder Erbbauberechtigter des unzugänglichen Grundstücks können ein Notwegerecht verlangen, keine Mieter oder Pächter.
- Alle Grundstückseigentümer, die zwischen dem benachteiligten Grundstück und der öffentlichen Verkehrsfläche liegen, müssen das Notwegerecht ausdrücklich einfordern.
- Gehört das unzugängliche Grundstück mehreren Personen, müssen alle Grundstückseigentümer gemeinsam ihr Notwegerecht verlangen.
Urteile zum Notwegerecht: Oft wird der Anspruch verweigert
Ein Großteil der Urteile zeigt: Notwegerechte sind nicht selbstverständlich. Eine umständliche oder unbequeme Verbindung zur Straße ist zum Beispiel kein Argument für ein gewährtes Notwegerecht. Gleiches gilt, wenn dafür ein größerer Umweg in Kauf genommen werden müsste oder wenn ein Auto nicht unmittelbar vor der Tür geparkt werden kann.
Wer eine vorhandene Zufahrt zu seinem Grundstück willkürlich beseitigt oder zugebaut hat, kann ebenfalls kein Notwegerecht für sich beanspruchen. Auch ein Notwegerecht-„Gewohnheitsrecht“ gibt es nicht. Wer es Nachbarn bislang immer erlaubt hat, über sein Grundstück zu fahren, legt sich damit nicht fest – ein automatisches Notwegerecht resultiert daraus nicht.
Übrigens: Das Notwegerecht spielt auch in der Landwirtschaft eine Rolle. Hier erfahren Sie mehr darüber.
Sechs weitere Punkte zum Thema Notwegerecht
- Ein Notwegerecht steht nicht grundsätzlich automatisch im Grundbuch. Wegerechte können auch im Rahmen eines privaten Vertrags vereinbart werden. Sie können aber durchaus als Grunddienstbarkeit überführt und als solche in der sog. „Abteilung II“ des Grundbuchs eingetragen werden. Was das bedeutet, erfahren Sie hier.
- Es gibt eine Notwegerecht-Entschädigung. Diese wird als Notwegerente, Geldrente oder auch als Streitwert im Notwegerecht bezeichnet. Die Entschädigung ist vom Nutzer des Notwegerechts an denjenigen Nachbarn zu entrichten, der dieses einräumen muss. Die Höhe bemisst sich nach der Minderung des Verkehrswertes des Nachbargrundstücks.
- Notwegerecht ist einklagbar. Wenn Ihnen Ihr Nachbar das Notwegerecht verweigert, haben Sie das Recht, es einzuklagen. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
- Ein Sachverständiger kann die Entschädigung berechnen. Er prüft jedoch meistens nicht die Sachlage, ob ein Notwegerecht besteht.
- Für Baufahrzeuge gibt es ebenfalls ein Notwegerecht. Wenn eine Baugenehmigung vorliegt, müssen Baufahrzeuge unter gewissen Voraussetzungen auf das Grundstück kommen können.
- Notwegerecht und Wegerecht unterscheiden sich. Wenn ein Grundstück nur zeitweise von der öffentlichen Zufahrt abgeschnitten ist, spricht man von Notwegerecht. So lange, bis das Grundstück wieder über die eigene Zufahrt erreichbar ist, muss ein Wegerecht eingeräumt werden.
Fazit: Es lohnt sich, schon beim Kauf einer Immobilie auf die Fragen rund um das Thema Notwegerecht zu achten. Wer hierzu konkrete Fragen hat, sollte sich in jedem Fall juristisch beraten lassen.