08.03.2024 • 5 min. Lesezeit
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Die meisten Neubau-Angebote in Sachsen, die wenigsten in Bremen
Es ist unbestritten, dass aktuell verschiedene Faktoren dazu beitragen, dass der Neubau auf dem deutschen Immobilienmarkt an Schwung verliert und weiter verlieren wird. Von regulatorischen Hürden über steigende Baukosten bis hin zu den veränderten Finanzierungsmöglichkeiten der Kaufinteressenten – die Aspekte, die dazu führen, dass der Neubau in Deutschland derzeit eine rückläufige Entwicklung erfährt, sind verschieden. Diese Entwicklung ist aber nicht erst seit 2023 spürbar. Bei der Betrachtung des Neubauanteils beim Immobilienangebot ist bereits seit 2021 ein sichtlicher Rückgang zu beobachten. Die VON POLL IMMOBILIEN Experten (www.von-poll.com) haben sich daher den Anteil der angebotenen Neubauten1 am Immobilienmarkt in den deutschen Bundesländern sowie deren Entwicklung von 2021 bis zum dritten Quartal 20232 genauer angeschaut.
In 15 von 16 Bundesländern ging die Anzahl der angebotenen Neubauten bei den Immobilienportalen im Jahr 2023 gegenüber 2021 zurück, teils deutlich im zweistelligen Prozentbereich. In nur fünf Bundesländern lag 2023 der prozentuale Anteil an Neubauten beim Immobilienangebot über 20 Prozent bis 24 Prozent, in Bremen sogar nur noch im einstelligen Bereich.
Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei VON POLL IMMOBILIEN:
„Der Rückgang des Angebots an Neubauimmobilien unterstreicht die Dringlichkeit, sich mit den vielfältigen und tiefgreifenden Herausforderungen auseinanderzusetzen, die diesen Sektor in Deutschland hemmen. Ein zentraler Punkt, der angegangen werden muss, sind die regulatorischen Hürden, bürokratischen Prozesse sowie die Komplexität der Bauvorschriften, die den Bauprozess verlangsamen und verteuern. Hier gilt es, die bestehenden Vorschriften und Genehmigungsverfahren zu überprüfen, um die Effizienz zu steigern und die Hürden für Bauunternehmen und Projektentwickler zu senken. Ein weiterer Punkt ist der Umgang mit den steigenden Baukosten. Preissteigerungen bei Baumaterialien und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften haben die Rentabilität von Neubauprojekten erheblich beeinträchtigt. Hier sind Maßnahmen zur Stabilisierung der Kosten, Vereinfachung der Bautätigkeit sowie der Materialien und zur Sicherung der Verfügbarkeit von Fachkräften erforderlich, um die Attraktivität von Neubauprojekten für Investoren und Bauherren zu erhöhen.'
Abb. 1: Prozentualer Anteil der angebotenen Neubauimmobilien in den Jahren 2021, 2022 und 2023 (Grafik: von Poll Immobilien GmbH) – interaktive Grafik inkl. Zahlen durch Mouseover: https://www.datawrapper.de/_/Uo73s/?v=8
Im Jahr 2023 fanden Kaufinteressenten den größten Anteil an Neubauangeboten bei Immobilien im Bundesland Sachsen mit 24,1 Prozent, gefolgt von Thüringen mit 22,9 Prozent und Rheinland-Pfalz mit 21,9 Prozent. Interessant ist allerdings auch, dass 2023 gegenüber 2021 der Neubauanteil bei Immobilien in Thüringen und Sachsen um -15,3 Prozent beziehungsweise -12,3 Prozent zurückgegangen ist. Das sind neben Sachsen-Anhalt mit -13,9 Prozent und Schleswig-Holstein mit -10,7 Prozent die stärksten Rückgänge an angebotenen Neubau-Objekten in den vergangenen drei Jahren im Bundesländervergleich.
Dominik Köhler, Geschäftsstellenleiter bei VON POLL IMMOBILIEN Weimar:
„In den vergangenen Jahren haben spezifische Förderprogramme die Neubautätigkeit in Thüringen angekurbelt. Größere Wohnimmobilienprojekte, die einen längeren Vorlauf in der Planung und im Genehmigungsverfahren haben, konnten 2021 bis 2023 abgeschlossen werden, was zu einem temporären Anstieg des Neubauanteils geführt hat. Die Projekte im Neubausegment werden aber auch in Thüringen zunächst wieder zurückgehen, da die Baukosten zu hoch sind, Förderprogramme auslaufen und die Rentabilität von Bauvorhaben nur noch selten gegeben ist. Die Nachfrage nach sozialem und altersgerechtem Wohnraum steigt aber kontinuierlich an und diese zu bedienen wird nur möglich sein, wenn sich die Baukosten positiv entwickeln und neue Förderungen zur Verfügung stehen.'
Zudem zählt Schleswig-Holstein mit 13,5 Prozent zu den drei Bundesländern, wo 2023 das kleinste Immobilienangebot an Neubauten zur Verfügung stand. Zu den Schlusslichtern gehören noch Berlin mit 12,2 Prozent sowie Bremen mit nur 8,3 Prozent Neubauanteil bei den Immobilienangeboten. In Berlin ist dabei das Angebot an Neubauten seit 2021 bis 2023 allerdings um nur -2,7 Prozent zurückgegangen, in Bremen dagegen um -6,2 Prozent.
Robert Rothböck, Geschäftsstellenleiter bei VON POLL IMMOBILIEN in Kiel, Neumünster, Rendsburg, Eckernförde, Plön und Eutin:
„In Schleswig-Holstein sind große Projektentwickler und Bauträger selten, der Schwerpunkt der Neubautätigkeiten liegt im Bereich der Einfamilienhäuser. In der Immobilien-Boomphase der letzten Dekade haben sich viele kleinere Akteure auch an größere Projekte und Grundstücke gewagt. Dies führte zu einem regelrechten Aufschwung. Zwangsweise haben viele dieser Bauträger und Projektentwickler ihre Bauaktivitäten mittlerweile eingestellt oder komplett aufgegeben, was die Herausforderungen und die Volatilität dieses Sektors verdeutlicht.'
Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet als einziges Bundesland keine negative Entwicklung beim Neubauangebot von 2021 zu 2023, auch wenn der Anteil mit 0,4 Prozent eher stagniert als wächst. Zudem zählt Mecklenburg-Vorpommern 2023 zu den vier Bundesländern mit den meisten Neubauobjekten im Angebot – denn mehr als jede fünfte Immobilie (21,1 Prozent) auf den Angebotsportalen ist ein Neubauobjekt.
Corinne Briesemeister, Geschäftsstellenleiterin bei VON POLL IMMOBILIEN Rostock und Warnemünde:
„In Mecklenburg-Vorpommern werden derzeit vor allem Immobilien im Neubausegment angeboten, die in den Jahren 2021 und 2022 begonnen wurden. Allerdings gestaltet sich die Vermarktung schwierig, da potenzielle Käufer zurückhaltend und die Kaufpreise hoch sind. In den vergangenen Jahren wurden in Mecklenburg-Vorpommern etliche Neubauprojekte realisiert. Aufgrund der sehr hohen Nachfrage gab es hier viele Kapitalanleger. Im Vergleich zu anderen Bundesländern scheint das Angebot an neugebauten Immobilien daher weniger stark zurückgegangen zu sein. Allerdings ist die Neubautätigkeit derzeit weitgehend zum Erliegen gekommen. Wir gehen davon aus, dass sich die Situation auch 2024 nicht wesentlich ändern wird“
Zwischen 19 Prozent und 20 Prozent an neugebauten Immobilien können Kaufinteressenten 2023 in Hessen, Bayern, Brandenburg und Baden-Württemberg wählen. Allerdings ging das Angebot an Neubauten seit 2021 in Hessen mit -8,2 Prozent, in Bayern mit -5,5 Prozent und in Baden-Württemberg mit -7,2 Prozent deutlich zurück. Brandenburg verzeichnet dagegen nur einen Rückgang an angebotenen Neubauobjekten um -2,7 Prozent.
Hamburg mit 18,6 Prozent, Nordrhein-Westfalen mit 17,3 Prozent, Niedersachsen mit 16,2 Prozent und das Saarland mit 15,1 Prozent reihen sich in das untere Mittelfeld beim Vergleich des Neubauanteils der Immobilienangebote 2023. Im Saarland ging das Angebot mit -4,3 Prozent gegenüber 2021 dabei am geringsten zurück, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit -7,2 Prozent, Hamburg mit -7,4 Prozent und Niedersachsen mit -8,1 Prozent.
Baugenehmigungen für Wohngebäude: Rückgang in allen Bundesländern gegenüber 2021
In einer weiteren Analyse zu den Baugenehmigungen bei Wohnimmobilien3 im Jahr 2023 im Vergleich zu 2021 verzeichneten alle 16 Bundesländer einen rückläufigen Trend. Von Bayern bis Schleswig-Holstein, von Sachsen bis Mecklenburg-Vorpommern – die Entwicklung der Baugenehmigungen wird sich nachhaltig auf dem Wohnungsbausektor in allen Regionen Deutschlands widerspiegeln. Die Gründe für diesen Trend sind vielfältig und werfen wichtige Fragen zur aktuellen Lage und Zukunft des Wohnungsbaus in Deutschland auf.
Die meisten Wohnimmobilien wurden 2023 in Bayern mit 3,01 auf 1.000 Einwohner genehmigt, gefolgt von Brandenburg mit 2,37 auf 1.000 Einwohner und Schleswig-Holstein mit 2,12 Baugenehmigungen auf 1.000 Einwohner. Im Jahr 2021 verzeichneten noch alle drei zuvor genannten Bundesländer mehr als drei Baugenehmigungen auf 1.000 Einwohner – Bayern registrierte 3,44 genehmigte Immobilien auf 1.000 Einwohner, Brandenburg 3,47 auf 1.000 Einwohner und Schleswig-Holstein 3,31 auf 1.000 Einwohner.
Die wenigsten Baugenehmigungen gab es 2023 in Berlin mit nur 0,58 auf 1.000 Einwohner. Zu den Schlusslichtern gehören zudem Hamburg mit 0,62 genehmigten Wohnimmobilien auf 1.000 Einwohner sowie Bremen mit 0,79 auf 1.000 Einwohner.
Zwischen 1,5 und zwei Baugenehmigungen auf 1.000 Einwohner kommen 2023 die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Allerdings wurden 2021 in Rheinland-Pfalz noch 2,91 Wohnimmobilien genehmigt auf 1.000 Einwohner, in Niedersachsen 2,84 auf 1.000 Einwohner, in Baden-Württemberg 2,5 auf 1.000 Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern 2,16 auf 1.000 Einwohner und Sachsen 2,02 auf 1.000 Einwohner.
Im unteren Mittelfeld liegen dagegen Hessen mit 1,31 Baugenehmigungen auf 1.000 Einwohner, das Saarland mit 1,25 auf 1.000 Einwohner, Nordrhein-Westfalen mit 1,21 auf 1.000 Einwohner, Sachsen-Anhalt mit 1,16 auf 1.000 Einwohner und Thüringen mit 1,09 auf 1.000 Einwohner. Auch hier gingen die Genehmigungen für Wohnimmobilien gegenüber 2021 sichtlich zurück.
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1 Unter Neubau fallen alle komplett neu gebauten Immobilien. Ein Gebäude gilt ab Errichtung bis zu fünf Jahre als Neubau. Daraus ergeben sich für den Analysezeitraum 2023 Immobilien mit einem Baujahr zwischen 2018 bis 2023, für 2022 mit einem Baujahr zwischen 2017 und 2022 und für 2021 mit einem Baujahr zwischen 2016 und 2021.
2 Die Datengrundlage der Angebotszahlen für neugebaute (nach Definition oben) Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen in den deutschen Bundesländern basiert auf Auswertungen von GeoMap und VON POLL IMMOBILIEN Research für 2021 bis zum dritten Quartal 2023.
3 Für eine bessere Vergleichbarkeit der einzelnen Bundesländer im genannten Zeitraum wurde die Anzahl der genehmigten Wohngebäude je 1.000 Einwohner auf Grundlage der Daten vom Statistischem Bundesamt von 2021 bis zum dritten Quartal 2023 analysiert und durch eine Prognoseberechnung des vierten Quartals 2023 der VON POLL IMMOBILIEN Research Experten erweitert.